(Deutschland, / 99 Minuten/ Start in Deutschland: 03. 07. 2025)
Eine staunenswerte Rarität: Kraftvolles Kino made in Germany, intelligent, rasant, fesselnd. – Kaum zu glauben, aber wahr: Die ist ein Ruhrpott-Thriller, der nicht nach 08/15-TV-Mischmasch aussieht, der eine hintergründige Story bietet, der mit bestem Schauspiel begeistert, dessen Inszenierung durchweg stimmig ist. Vor allem wird hier, anders als so oft, viel zu oft im deutschen Kino, nicht mit plumpen Dialogen genervt.
Die erzählte Geschichte ist hart. Sie handelt von den Brüdern Kai und Mirko. Der Jüngere, Kai, ist wohl noch in seinen 20ern. Mirko, der ältere, bereits in den 30ern. Kai rackert sich in einer Fleischfabrik in Duisburg ab. Der Lohn ist karg. Das Geld reicht nur für ein bescheidenes Leben mit Frau und Kind. Mirko will mehr. Drum hat er eine Verbrecher-Laufbahn eingeschlagen, Knast inklusive. Aber er hat vorgesorgt. Für die Zeit danach warten 10.000 Euro auf ihn. Die hat er bei Kai deponiert. Doch der hat die Summe angetastet, um den Seinen mal was Gutes außer der Reihe gönnen zu können. Ganz klar: Das bedeutet Zoff …
All das wird nicht geradlinig abgespult. In ausgeklügelten zeitlichen Verschachtelungen werden Kindheit, Jugend und Gegenwart des Bruderpaares reflektiert. Manchmal gerinnen die Zeitebenen scheinbar zu einer einzigen. Oft nur aus dem Off zu hörende Gedanken, Erinnerungen und Träume von Kai fächern die verschiedenen Facetten seines Charakters auf. Da entsteht rasch eine große Nähe des Publikums zum Geschehen und zu den Figuren, Kai vor allem. Als Zuschauer bangt man mit ihm mit, hofft, verzweifelt, fürchtet sich. Und Mirko ballt die Fäuste nicht nur. Er schlägt brutal zu …
Der Thriller basiert auf „Fresh“, dem Debüt-Roman des Schotten Mark McNay, einem internationalen Bestseller. Der in den USA geborene, seit langem in Deutschland lebende und arbeitende Drehbuchautor und Regisseur Damian John Harper hat die Geschichte fürs Kino in den Ruhrpott verlegt, den Figuren neue Namen gegeben, klug gekürzt. Den spröden, dabei sehr dynamischen Erzählstil der Vorlage hat er clever auf die Leinwand übertragen. Gemeinsam mit Kameramann Leonhard Kairat und Schnittmeisterin Lorna Hoefler-Steffen hat er eine aussagestarke Bildwelt geschaffen. Da braucht es keine plumpen Verweise auf soziale Missstände, weder optisch noch akustisch. Wie nebenbei wird klar, in welcher nicht nur sprichwörtlichen Scheiße Menschen wie Kai und Mirko leben, nahezu ohne Chance auf einen wie auch immer gearteten Aufstieg. „Frisch“ zeigt Wirklichkeit – und das macht die Krimistory umso eindringlicher. Es fröstelt einen. Visuell ist das oft ausgesprochen elegant. Was das Armselige der gezeigten Lebenswege schärfer betont als jede denkbare Grau-in-Grau-Zeichnung. Großartig dazu: Louis Hofmann als Kai – schnörkellos, sensibel, nie sentimental. Franz Pätzold brilliert im Part des Mirko – eiskalt, aber nie eindimensional. Als Zuschauer hat man auch und gerade dank des großartigen Schauspiels bald Mühe, sich zwischen Anziehung und Abstoßung zu orientieren.
Fazit: Eine Rarität, ein deutscher Action-Thriller von internationalem Format, rundum überzeugend, voller Spannung, stilistisch reif, schauspielerisch brillant. Allerfeinstes Kino!