Das Narrenschiff

Christoph Heins „Das Narrenschiff“, Suhrkamp, 751 Seiten; Preis: 28 Euro

Noch ein Roman über die Zeit der deutschen Teilung? Und was für einer! – Christoph Heins immer wieder erstaunende Kunst, scheinbar ganz einfach zu erzählen, sorgt für enorme Spannung und viele erhellende Momente. Das Entscheidende: Ja, der Roman beschreibt anhand persönlicher Entwicklungen verschiedenster Menschen Vorgeschichte, Gründung, Existenz und schließlich Verschwinden der DDR – aber nein, es ist kein DDR-Roman. Es ist ein Buch über die Frage, wie aus Menschen Unmenschen werden können. Und das scheinbar oft sozusagen im Handumdrehen.

   Wer in der DDR gelebt hat, dürfte das Buch vermutlich anders lesen als jemand, der im Westen Deutschlands zuhause war. Hein gelingt es, den Geruch des untergegangenen Landes heraufzubeschwören. Verblüffend. Den spürt wohl nur, wer ihn einst eingeatmet hat. Wer dabei war, erkennt zudem die personellen Inspirationen zu dieser und jener Figur, und erinnert durchgehend das Lebensgefühl, das im Mauerland herrschte: Spießertum als Staatsdoktrin und alles daraus Folgende. Doch eine billige, wohlfeile Abrechnung damit spult der Autor nicht ab. Er verwickelt die Leserschar in verschiedene persönliche Geschichten von Staatsgründern, Gläubigen und Skeptikern, und deren Kindern. Anpassung oder Auflehnung? Derart simple Rechnungen werden dabei nicht angestellt.

   Besonders aufschlussreich: Heins nie langweiligen Auseinandersetzungen mit ökonomischen Fragen. Dabei stellt man erschreckende Parallelen zum Heute fest. Die noch augenfälliger im Persönlichen aufscheinen. Denn es wird klar gezeigt, wie gefährlich Glauben statt Wissen ist, Anbetung statt Nachfragen. Das Buch macht deutlich, wie leicht jede und jeder zum Spielball machtlüsterner Polit-Protagonisten werden kann. Aus einem Narrenschiff kann ganz, ganz schnell ein Totenschiff werden.

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