(Deutschland / 100 Minuten/ Start in Deutschland: 09. 10. 2025)
Herausragend! – „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“ heißt es im Vorspann. Bohm selbst, inzwischen 86 Jahre alt, fühlte sich nicht in der Lage, die Strapazen einer Regie durchzuhalten. Sein jüngerer Kollege und Freund Fatih Akin hat das übernommen. Sein Film ist, wie der gleichnamige im Mai dieses Jahres erschienene Roman von Bohm überraschend leicht im Ton, manchmal fast heiter. Dabeio geht es um überaus Gewichtiges: die Auswirkungen des deutschen Faschismus‘ der Jahre 1933 bis 1945 auf das Denken und Fühlen von Durchschnittsleuten.
Hark Bohm, in Hamburg geboren, auf der Insel Amrum aufgewachsen, erinnert sich auf sehr persönliche Art an seine späten Kindheitsjahre. Sein Alter Ego heißt Nanning (Jasper Billerbeck). Es ist das Frühjahr 1945. Der Vater, ein Nazibonze, ist abwesend, die Mutter (Laura Tonke) hochschwanger. Der zwölfjährige Junge versucht ihr und Tante Ena (Lisa Hagmeister) beizustehen so gut er kann. Kleine Arbeiten für die Bäuerin Tessa (Diane Kruger) helfen oft, dies oder jenes zu beschaffen. Als Adolf Hitlers Tod bekannt wird, bricht Nannings Mutter, eine eiserne Nationalsozialistin, psychisch zusammen. Sie giert nach Weißbrot mit Butter und Honig. Nanning will ihr den Wunsch unbedingt erfüllen und startet eine Odyssee über die Insel, um alles zu bekommen. Dabei wird er deutlich mit Fragen zu Schuld und Unschuld konfrontiert. Was wesentlich für seine Charakterbildung ist.
Vordergründig moralisiert wird nicht. Im Kleinen spiegelt sich das Große. Die Suche nach Essen wird zur Metapher für einen grundsätzlichen Überlebenskampf. Erzählt wird davon mit konsequentem Blick auf den Zwölfjährigen. Er ist nicht mehr Kind, aber auch noch nicht Mann. Differenzieren wie ein lebenserfahrener Erwachsener kann Nanning noch nicht. Das bleibt dem Publikum überlassen. Die hier gespiegelte Suche einer zerrissenen Gesellschaft nach würdevollen Lebensbedingungen für alle Menschen weist klug auf die Gegenwart.
Kameramann Karl Walter Lindenlaub folgt konzentriert den Mühen Nannings. Seine Bilder durchweg Bilder spiegeln klug die Unwägbarkeiten eines Daseins in einer aus den Fugen geratenen Welt. Die schauspielerischen Leistungen sind nahezu durchweg bemerkenswert. Laura Tonke als Mutter, Lisa Hagmeister als Tante Ena und Jasper Billerbeck im Part des Nanning fesseln. Debütant Jasper Billerbeck wirkt verblüffend authentisch. Fatih Akin hat ihn offenbar mit außerordentlichem Feingefühl geführt. Er kommt einem als Zuschauer ungemein nah – und damit die Fragen des Films nach der Chance wahrer Menschlichkeit hier und heute.